Das „Münchner Kindl“ sagt nach über 100 Jahren servus! 

Der langjährige Pächter der Erlanger Traditionswirtschaft Münchner Kindl, Luitpoldstr. 54, Josef Wodiczka und seine Gefährtin Elfriede Bauriedel ziehen sich aus dem Berufsleben zurück und haben ihren Pachtvertrag zum 31. März 2003 gekündigt. Wohl im Mai oder Juni wird eine griechische Familie das Lokal unter neuem Namen wieder eröffnen und dann ihre hellenischen Spezialitäten offerieren.

1892 war der Antrag auf „Ausübungsgenehmigung einer Gastwirtschaft“ in der Buckenhofer Str. 54 (sie wurde vier Jahre später in Luitpoldstraße umbenannt) von der Stadt Erlangen erstmals bewilligt worden. Die Schankwirtschaft florierte und wurde spätestens 1901 unter dem Namen „Zum Münchner Kindl“ geführt. Diese recht unfränkische Bezeichnung lässt zwar zunächst auf ein für Erlangen typisches Garnisonslokal – wie König Humbert, Graf Moltke oder Prinz Heinrich - schließen (wofür die Lage in der Oststadt und die Zeit der Betriebsgründung spräche), doch deuten die Nähe zur medizintechnischen Fabrik von Reiniger, Gebbert & Schall (später Siemens UB Med) und auch die eher in sozialdemokratischen Kreisen bevorzugte Brauerei auf eine Arbeiterkneipe hin. Der Name Münchner Kindl dürfte in jedem Fall ein Indiz für die damalige Nähe der einfacheren Bevölkerung zum Königreich Bayern mit seiner „leuchtenden“ Hauptstadt sein.

Nach 1919 lief hier Erlanger Hofbräubier aus den Zapfhähnen (vor dem Ersten Weltkrieg sicherlich das von Erlwein & Schultheiss), wobei die Hofbräu AG Bamberg und Erlangen, Zweigniederlassung Erlangen, spätestens ab 1931 als Zwischenpächterin auftrat (d.h. die Brauerei pachtete die Gasthausräume und die Wirtswohnung von der Hauseigentümerin und gab diese an einen Wirt weiter, der zwar ein guter Gastronom sein konnte, aber vielleicht nicht die notwendige Bonität für die sicherheitsbedachte Vermieterin hatte).

Klagte der Wirt noch 1932 über mangelnden Absatz infolge der schlechten Wirtschaftslage, machte sich schon bald darauf die Belebung der deutschen Binnenkonjunktur bemerkbar (die unrühmlichen Ereignisse vor nunmehr 70 Jahren gingen kürzlich wieder durch die Medien). In den Jahren 1934 und 1935 verkaufte er 171 bzw. 181 Hektoliter Bier. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs waren die Räumlichkeiten des Münchner Kindls als Notunterkunft für ausgebombte Familien und deren Hausrat behördlich beschlagnahmt.

Als sich in den 1950er Jahren die Beanstandungen wegen unhygienischer Zustände häuften (Trockenaborte mit Fallrohr, „Herrenpissort“ mit stinkender Abflussrinne etc.) zog sich die Hofbräu AG (seit 1937 wurde deren Bier nur noch in Bamberg gebraut) zurück. Ludwig und Melchior Fröhlich aus Dormitz kauften im Herbst 1959 das Anwesen Luitpoldstr. 54, bauten die bisherige Schankwirtschaft in eine Speisegaststätte um und lieferten fortan ihre Getränke an die Pächter des Münchner Kindl.

Josef Wodiczka war ein stadtbekannter Gastronom als er 1987 das Münchner Kindl übernahm. Nach 2 Jahren als Pächter im Brandenburger Adler (Essenbacher Straße 13) und 9 Jahren im Gasthaus Porisch (Martin-Luther-Platz 3) kannte den damaligen „Lederhosenträger aus Überzeugung“ fast jeder. Noch heute zeigt er stolz Fotos aus jener Zeit und seine Erwähnung im Buch „Hallo Erlangen“ von 1987 (Charakter und Köpfe der Stadt, Seite 32). Da war die Welt der Gastronomie noch einigermaßen in Ordnung: Wodiczka hatte viele Stammgäste, die vielbefahrene Luitpoldstraße brachte Laufkundschaft und das gegenüberliegende Werkstor von UB Med sorgte für reichlich Mittagsgäste. Im Angebot waren außerhalb der normalen Karte jeweils drei Tagesessen und der Wirt zapfte das Bier für die 12 Uhr-Stammtische vor, sobald die Werkssirene zur Pause rief.

Fröhlich Bier gab es nach 1975 in Erlangen zudem in den Wirtshäusern Forsthof und Geharnischter Engel (wer erinnert sich nicht an den Wunders Helmut). Auch in der Kantine von UB Med wurde das Helle getrunken (im Wechsel mit Kitzmann). 1995 stellte die Brauerei Fröhlich in Dormitz ihre Bierproduktion ein und die vertraglich gebundenen Gasthäuser mussten zu Wolfshöher wechseln.

Am Freitag, 28. Februar 2003, „wirft“ Josef Wodiczka zum letzten Mal seinen Herd an , wobei es bei ihm nie - und darauf legt er großen Wert - einen "Essenszwang" gab. Elfriede Bauriedel wird ihre Gäste wie immer mit persönlicher Note und mütterlichem Charme bedienen. Bis dahin besteht noch die Gelegenheit, die ungekünstelte Atmosphäre einer echten Erlanger Wirtschaft – wie es sie bis in die 1970er-Jahre so zahlreich gab – zu erleben.

 

erlanger.gif (648 Byte)© 2000-2011 ,  Jochen Buchelt, Stand: 11.12.2004

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