Heinrich Henninger
Vaterfigur für Brauereien in Erlangen, Nürnberg und Frankfurt am Main


Die weltbekannte Henninger Bräu AG Frankfurt stellte zum Jahresende 2001 die eigene Bierproduktion ein – Anlass für einen brauereigeschichtlichen Rückblick in 2 Teilen:
1.Teil: Erlangen und Nürnberg
2.Teil: Frankfurt am Main

Frankfurt am Main
Heinrich Henninger wurde im ganzen Reich geschätzt, was 1871 deutlich wurde, als man ihn auf dem Ersten Deutschen Brauertag in den ständigen Ausschuss des Deutschen Brauerbundes wählte. Sein Tatendrang ließ ihn bei der Errichtung von Brauerei-Musterbetrieben in Amsterdam und Brüssel mitwirken und bereits 1869 hatte er sich dem Steinschen Brauhaus in Frankfurt am Main zugewandt, das er 1872/73 in Absprache mit der Witwe Steins im Alter von 47 Jahren übernahm. Auch seine Söhne Zacharias und Johannes traten in die Firma ein. Nach den Plänen Heinrich Henningers entstand bis 1875 auf dem Sachsenhäuser Berg südlich des Mains eine moderne Großbrauerei. Die richtungsweisende Konzeption der Arbeitsabläufe einschließlich der Bedingungen für die Brauereiarbeiter erregte damals landesweite Aufmerksamkeit. Kältemaschinen nach dem Linde-Prinzip ermöglichten durchgängig die untergärige Brauweise und unter dem Braumeister Schumann wurde in der Brauerei Henninger das Gebot von Reinlichkeit und Hygiene zum obersten Grundsatz in der Produktion. Der Betrieb entwickelte sich zur qualitativ führenden Brauerei jener Zeit. 1881 folgte die Umwandlung in die Kapitalgesellschaft „Frankfurter Bierbrauer-Gesellschaft vormals Henninger und Söhne“.

Mit dem Eintritt von Bruno Schubert, Nachkomme einer alteingesessenen Schweinfurter Brauerfamilie und Weihenstephan-Absolvent, begann 1912 eine neue Ära der persönlichen Verantwortlichkeit für die Brauerei, die erst mit dem Ausscheiden seines Sohnes, Generalkonsul Bruno H. Schubert, im Jahr 1979 endete. Trotz der negativen Folgen beider Weltkriege bekam die Henninger Bräu u.a. durch die Übernahme von Mitbewerbern immer wieder „Oberwasser“. 1961 erreichte die Investitionstätigkeit einen absoluten Höhepunkt, gleichzeitig stieg der Bierausstoß auf jährlich 900.000 Hektoliter. Im gleichen Jahr wurde der Henninger Turm eingeweiht. Das Wahrzeichen der Brauerei ist ein über 120 Meter hoher Gerstensilo mit Aussichtsplattform und Drehrestaurant. Das markante Gebäude gehört zur Sadtsiluette Frankfurts und ist seit 1962 Namensgeber des einzigen Weltpokal-Radrennens in Deutschland.  

Mit 1,6 Millionen Hektolitern Bierausstoß erreichte die Brauerei 1967 eine Spitzenstellung unter den deutschen Sudunternehmen. Die Firma engagierte sich in fast allen Erdteilen und trug so den Namen Henninger in die Welt hinaus. 1977 entstand als Anbau neben dem Kupfersudwerk ein neues, prozessrechnergesteuertes Sudhaus mit Edelstahlgefäßen. Die Zigarettenfabrik Reemtsma übernahm 1980 die Aktienmehrheit der Henninger Bräu AG und gab diese bereits 1987 an die Gebrüder März AG Rosenheim weiter. Im gleichen Jahr führte man ein Automatisierungssystem mit grafikgestützter Bildschirmsteuerung ein (u.a. im Sudhaus).

 

Nach dem Premiumbierintermezzo „Christian Henninger“ wurde ab 1989 die Marke Henninger Kaiser Pilsner forciert. 1991 erreichte das Unternehmen mit 2,6 Millionen  Hektolitern den stärksten Ausstoß seiner Geschichte; in den neuen Bundesländern wurden vier Brauereien bzw. Getränkefirmen von der Treuhandanstalt übernommen (u.a. Bärenquell Brauerei Berlin-Schöneweide und Brauhaus Sonneberg). Noch leuchtete der Glanz des Erfolges (größte deutsche Biermarke in Europa; in 60 Ländern der Erde präsent; das beliebte Karamalz hatte über 30% Marktanteil in Deutschland), doch bald folgte der jähe Absturz der Muttergesellschaft März...!


Mälzereigebäude, schon seit vielen Jahren an die 
Fa. Weisheimer Malz verpachtet

Nach Jahren der Ungewissheit kaufte 1998 eine private Investorengruppe um Werner Kindermann die Henninger Gruppe, aber auch danach konnte die Belegschaft nicht mehr ruhig schlafen. Die geplante Verlagerung der Sudstätte in ein Gewerbegebiet am Frankfurter Stadtrand kam nie zu Stande (finanziert durch die Verwertung der lukrativen Immobilie in Sachsenhausen). Stattdessen verlor man den Dreifrontenkrieg gegen Fernsehbiermarken, Billigbiere und schwindenden Bierdurst! Zum 1. November 2001 veräußerte die Holdinggesellschaft Actris AG ihre defizitäre Henninger Bräu. Die Marken- und Vertriebsrechte für Henninger, die Belegschaft und auch sämtliche Verpflichtungen für die Pensionäre etc. gingen an die Frankfurter Konkurrentin und Nachbarin Binding AG. Die Traditions-Sudstätte wurde stillgelegt, Bier und Radler werden zukünftig bei Binding mitproduziert (von deren Personal...). Der letzte Sud am Hainer Weg kochte am 20. Dezember 2001 (650 Hektoliter Diätpils).

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Idealisierte Darstellung der neuen Brauerei auf dem Sachsenhäuser Berg.

Noch rollen die Lieferfahrzeuge durch 
die Pforte am Hainer Weg

Das alte Sudhaus neben dem Neubau von 1977

Wahrzeichen, Gerstensilo, Drehrestaurant und Aussichtsplattform:
Der Henninger Turm

Rechnergesteuertes Sudwerk (1977)

Der Maischefilter; eine brautechnologische Besonderheit. Statt im Läuterbottich die blanke Würze mit Hilfe der Schwerkraft zu gewinnen wird die Maische hier vertikal durch viele Schichten Filtergewebe gedrückt

Die Produktionsstätten sind mittels einer 
Braugersten-Pipeline verbunden

Das Sudhaus der Binding AG an der 
Darmstädter Landstraße in Frankfurt / M.

Link: Die "Brauwelt" zum Thema

 

erlanger.gif (648 Byte)© 2000-2011 ,  Jochen Buchelt, Stand: 11.12.2004

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