Frankfurt am Main
Heinrich Henninger wurde im ganzen Reich geschätzt, was 1871 deutlich
wurde, als man ihn auf dem Ersten Deutschen Brauertag in den ständigen
Ausschuss des Deutschen Brauerbundes wählte. Sein Tatendrang ließ ihn bei
der Errichtung von Brauerei-Musterbetrieben in Amsterdam und Brüssel
mitwirken und bereits 1869 hatte er sich dem Steinschen Brauhaus in
Frankfurt am Main zugewandt, das er 1872/73 in Absprache mit der Witwe
Steins im Alter von 47 Jahren übernahm. Auch seine Söhne Zacharias und
Johannes traten in die Firma ein. Nach den Plänen Heinrich Henningers
entstand bis 1875 auf dem Sachsenhäuser Berg südlich des Mains eine
moderne Großbrauerei. Die richtungsweisende Konzeption der Arbeitsabläufe
einschließlich der Bedingungen für die Brauereiarbeiter erregte damals
landesweite Aufmerksamkeit. Kältemaschinen nach dem Linde-Prinzip ermöglichten
durchgängig die untergärige Brauweise und unter dem Braumeister Schumann
wurde in der Brauerei Henninger das Gebot von Reinlichkeit und Hygiene zum
obersten Grundsatz in der Produktion. Der Betrieb entwickelte sich zur
qualitativ führenden Brauerei jener Zeit. 1881 folgte die Umwandlung in die
Kapitalgesellschaft „Frankfurter Bierbrauer-Gesellschaft vormals
Henninger und Söhne“.
Mit dem Eintritt von Bruno Schubert,
Nachkomme einer alteingesessenen Schweinfurter Brauerfamilie und
Weihenstephan-Absolvent, begann 1912 eine neue Ära der persönlichen
Verantwortlichkeit für die Brauerei, die erst mit dem Ausscheiden seines
Sohnes, Generalkonsul Bruno H. Schubert, im Jahr 1979 endete. Trotz der
negativen Folgen beider Weltkriege bekam die Henninger Bräu u.a. durch die
Übernahme von Mitbewerbern immer wieder „Oberwasser“. 1961 erreichte
die Investitionstätigkeit einen absoluten Höhepunkt, gleichzeitig stieg
der Bierausstoß auf jährlich 900.000 Hektoliter. Im gleichen Jahr wurde
der Henninger Turm eingeweiht. Das Wahrzeichen der Brauerei ist ein über
120 Meter hoher Gerstensilo mit Aussichtsplattform und Drehrestaurant. Das
markante Gebäude gehört zur Sadtsiluette Frankfurts und ist seit 1962
Namensgeber des einzigen Weltpokal-Radrennens in Deutschland.
Mit 1,6 Millionen Hektolitern Bierausstoß
erreichte die Brauerei 1967 eine Spitzenstellung unter den deutschen
Sudunternehmen. Die Firma engagierte sich in fast allen Erdteilen und trug
so den Namen Henninger in die Welt hinaus. 1977 entstand als Anbau neben dem
Kupfersudwerk ein neues, prozessrechnergesteuertes Sudhaus mit Edelstahlgefäßen.
Die Zigarettenfabrik Reemtsma übernahm 1980 die Aktienmehrheit der
Henninger Bräu AG und gab diese bereits 1987 an die Gebrüder März AG
Rosenheim weiter. Im gleichen Jahr führte man ein Automatisierungssystem
mit grafikgestützter Bildschirmsteuerung ein (u.a. im Sudhaus).
Nach dem Premiumbierintermezzo
„Christian Henninger“ wurde ab 1989 die Marke Henninger Kaiser Pilsner
forciert. 1991 erreichte das Unternehmen mit 2,6 Millionen
Hektolitern den stärksten Ausstoß seiner Geschichte; in den neuen
Bundesländern wurden vier Brauereien bzw. Getränkefirmen von der
Treuhandanstalt übernommen (u.a. Bärenquell Brauerei Berlin-Schöneweide
und Brauhaus Sonneberg). Noch leuchtete der Glanz des Erfolges (größte
deutsche Biermarke in Europa; in 60 Ländern der Erde präsent; das beliebte
Karamalz hatte über 30% Marktanteil in Deutschland), doch bald folgte der jähe
Absturz der Muttergesellschaft März...!
Mälzereigebäude, schon seit vielen Jahren an die
Fa. Weisheimer Malz verpachtet
Nach Jahren der Ungewissheit kaufte 1998
eine private Investorengruppe um Werner Kindermann die Henninger Gruppe,
aber auch danach konnte die Belegschaft nicht mehr ruhig schlafen. Die
geplante Verlagerung der Sudstätte in ein Gewerbegebiet am Frankfurter
Stadtrand kam nie zu Stande (finanziert durch die Verwertung der lukrativen
Immobilie in Sachsenhausen). Stattdessen verlor man den Dreifrontenkrieg
gegen Fernsehbiermarken, Billigbiere und schwindenden Bierdurst! Zum 1.
November 2001 veräußerte die Holdinggesellschaft Actris AG ihre
defizitäre Henninger Bräu. Die Marken- und Vertriebsrechte für
Henninger, die Belegschaft und auch sämtliche Verpflichtungen für die
Pensionäre etc. gingen an die Frankfurter Konkurrentin und Nachbarin Binding
AG. Die Traditions-Sudstätte wurde stillgelegt, Bier und Radler werden
zukünftig bei Binding mitproduziert (von deren Personal...). Der letzte Sud
am Hainer Weg kochte am 20. Dezember 2001 (650 Hektoliter Diätpils).
|
Idealisierte Darstellung der neuen Brauerei auf dem Sachsenhäuser
Berg.
Noch rollen die Lieferfahrzeuge durch
die Pforte am Hainer Weg
Das alte Sudhaus neben dem Neubau von 1977
Wahrzeichen, Gerstensilo, Drehrestaurant und Aussichtsplattform:
Der Henninger Turm
Rechnergesteuertes Sudwerk (1977)
Der Maischefilter; eine brautechnologische Besonderheit. Statt im Läuterbottich
die blanke Würze mit Hilfe der Schwerkraft zu
gewinnen wird die Maische hier vertikal durch viele Schichten Filtergewebe
gedrückt
Die Produktionsstätten sind mittels einer
Braugersten-Pipeline verbunden
Das Sudhaus der Binding AG an der
Darmstädter Landstraße in Frankfurt / M.
|